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Montag, 14. März 2011

Wir sind keine Kinder mehr


Sie streicht die Brösel von ihrem Schal, schüttelt ungläubig den Kopf und stellt den leeren Teller beiseite. "Weißt du", setzt sie an, "ich verstehe einfach nicht, warum unsere Mütter noch nach über 20 Jahren versuchen uns zu erziehen."
Die beiden haben sich schon lange nicht mehr gesehen. Früher war das anders, da ging man zusammen in die gleiche Klasse, oder zumindest auf die gleiche Schule, trifft sich auf Pausenhöfen, redet über alles und nichts, über Gott und die Welt, über all die jetzt so nebensächlich und unwichtig erscheinenden Dinge. Heute trifft man sich abends um sieben Uhr, weil man bis dato arbeiten muss, eine Ausbildung macht oder studiert. Das kommt alles so plötzlich. Viel zu plötzlich.
Auf einmal fangen die Freunde um einen rum an, den Führerschein zu machen. Einen Führerschein! Autofahren! Das war doch immer was für Mama und Papa. Oder einfach nur cool zum angeben, wenns der neue Freund konnte. Aber doch nicht wir!
Und auf ein mal ist die Schulzeit vorbei. Arbeit, studieren.. ausziehen.
"Dann hab' ich meine Sachen gepackt, und bin einfach so ausgezogen. Seitdem wohn ich bei 'ner Freundin."
"Und deine Mama, hast du seitdem mit ihr geredet?"
"Na, auf einmal interessiert sie sich wieder für mich, ruft an, und fragt wie meine Klausuren laufen."
Allgemeines grübeln. Beide seufzen. Beide kennen das nur zu gut, die alte Küchen-aufräum-Leier, an der schon viele Mutter-Tochter-Beziehungen zugrunde gegangen sind. Früher hätten sie sich im Zimmer verschanzt, trotzig die Tür zugeschmissen, und am nächsten Tag war alles wieder gut gewesen. Mama hättet trotzdem das Pausenbrot geschmiert. Heute stellt man seine Mutter in Frage.. erkennt, dass auch Erzeuger Fehler machen (diese aber nie, niemals zugeben würden) und zieht seine eigenen Konsequenzen. Wenn's nun mal nicht mehr geht, dann geht's halt nicht mehr.
"Dieses ganze Erwachsen werden.. das ist einfach nichts für mich. Ich will wieder weinen können, wenn ich hinfalle, und von Mama getröstet werden. Ich will mich wieder auf Weihnachten freuen können, den ganzen Tag Disney-Filme gucken, Mittags heimkommen und mit Spagetti begrüßt werden, Lila Jacken mit Rosa Blümchen und dazu Geld-Schwarz-gestreifte Leggins tragen, SCHULFERIEN haben und vor allem - Bibi Blocksberg Kassetten hören.."
Zustimmendes Nicken.

Scheiss Erwachsen werden. Scheiss selbstständig sein. Scheiss Unabhängigkeit. Scheiss Handtaschen, ein Scout muss her. Scheiss Samy Deluxe. Wir sind sehr wohl noch Kinder. Scheiss "Küss den Frosch", gimme some Peter Pan! Scheiss einundzwanzigstes Jahrhundert. Ein bisschen Nostalgie, bitte!
"Ich lad mir nachher Bibi & Tina auf meinen iPod."
Lachen.


So sollte es sein. Immer.

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